Trecker neben der "Flotte" |
Wir nannten sie Trecker. Einige wenige sagten Traktor dazu. Und die ganz Ausgebufften, die wirklich Informierten unter uns Jungs nannten sie Zugmaschinen. In den fünfziger Jahren sah, hörte & roch man noch einige der Trecker durch die Alstadener Straßen dieseln. Sie zogen Kohlenanhänger hinter sich her. Oder sie zogen - wie der Klüngelspitt (oder Klüngelskerl) mit seinem Trecker - einen Anhänger voller Schrott. Da gab es noch richtige, innerstädtische Schrottplätze. Und wenn man in der Schule nicht so richtig mitkam und nicht lernen wollte, wurde man von den Eltern gleich rhetorisch gefragt: "Sach'ma will'ze Klüngelspitt in dein Leb'n werden? Und anlässlich dieser Frage wusste man sofort, dass man sich im Unterricht wieder etwas mehr "anstrengen" musste, um später im Leben etwas 'Richtiges' werden zu können. Und etwas 'Richtiges' war man in den Augen der damaligen Nachkriegserwachsenen, wenn man es geschafft hatte, wohlhabend zu sein. Dabei war der Schrotthändler (der Klüngelspitt) damals einer der reichsten Mitbürger in unserem Viertel.
Heute ziehen diese alten, nostalgisch aufbereiteten, bunt bemalten Trecker meist Karnevalswagen durch die Straßen. Diese Zugmaschinen hatten früher etwas wunderbar vertraut Stubsnasiges, sozusagen etwas Lebensbejahendes, etwas Lustiges, wenn sie tuckernd Rußwolken hinter sich her ziehend durch die Straßen nagelten. Jetzt aber scheinen sie, trotz ihres "Flotten" Auftritts eher traurig zu sein. Traurig dreinblickend wie die einst kraftvollen Ackergäule, die als billige Vorstadtzirkuspferden ausstaffiert und abgerichtet wurden.
'Was ist Zeit?', werde ich hin und wieder gefragt. Und ich antworte: Zeit ist Verfall. Und dies zeigt sich besonders deutlich an der unzeitgemäßen Verjüngung und damit nostalgischen Ver-Wendung des Alten. Die meisten von Ihnen verstehen das Gemeinte sicherlich besonders gut, wenn ich veranschaulichend den Namen: Karl Lagerfeld hierher setze.
- "Sach'ma Heinz, kennz' der Lagerfeld?"
- "Is'dat der, der hier in'ne Benzstraße dat kleine Häusken hat?"
- "Nä, Heinz. Nä, der Ernst Lagerfeld mein'ich nich'!"
- "Hömma Kalle, dann kenn'ich nur noch dat Lager, abba ohne Feld dran. Weiß'e dat Bier, dat kennz Du doch bestimmp auch?"
- "Ja Heinz, dat Bier kenn'ich, dat schmeck mich abba nich. Dat Lager is'n Pissbier."
- "Ich mein abba der Lagerfeld auße Mode, der mit die weiße Porücke, der immer die Kleiders für dat schöne Schiffer jenäht hat."
- "Ach du meinz der bekloppten Detleff, der die schwatten Hantschuh ohne Fingers vorne an hat, un der weißgemachtn Ferdeschwanz in Haar hat, un der wie so'n Schnellfeuergewähr sprich."
- "Genau Heinz, dä mein ich!!"
- "Der seh'ch scho'ma in'ne Glotze, kuck abba meis' wech bei diese Arschglocke. Wat willze von den, Kalle?"
- "Nix."
- "Wennze nix von den willz, warum frach'se mich dann Löcher in'ne Wampe nach den heiteitei Modedetleff?"
- "Sach'ma Heinz, hasse dich scho'ma Gedankens übbere Zeit gemacht?"
- "Kehr Kalle, getz hör abba ma entlich auf. Ers' komm'ße mich mit der scheiß Modedetleff un getz mit'ti Zeit. Fängse villeich widder mit dein fillesofischen Kram an? Trink dich lieba 'n Assbach, bevor'se diese äppeläp'ische Geis'sesanfälle bekommps."
- "Kumma Heinz, der olle Kaal Lagerfeld is zwei Zeit in eine Person. Wo gibbet dat schon?"
- " Versteh'ch nich'. Wie soll dat Kalle?"
- "Ja, kuck dich dä ma' doch'ma richtich an, Heinz. Der is' von vorn ne ägüppische Mumie un von hintn 'n wie so'n Magermoddell, un der kann so schnell sprech'n, dat der dabei wie in den Film zerrück inne Zukunft kommp. Der überholt sich bei'n Quasseln selps auf' rechte Spur von sein Leb'n un kommp inne Zukumf da an, wo der selps noch nich' gewesn is."
- "Is dat'de Rellatiwitätstherie?"
- "Du sach's'et Heinz!"
- "Un' wieso sieh'ße die olle Pappnase dann so off in den Onlein?"
- "Weil dat Internetz ebendt de Zunkumf is, Heinz."
- "Ich merk schon Kalle, Du bis widder so weit, dat ein raushau'n muss. Sach entlich dein neuet Gedich'."
- "Soll'ich ährlich, Heinz."
- "Kehr, mach' hin, Kalle!! Wir müss'n noch in'ne Flotte!"
- "Abba auf deine Verantwortung, Heinz. Also pass'auf. Der Titel von den Gedich' geht so: Zeit un' Alter un' Verfall.
Tut der Vergleich auch ziemlich humpeln,
In Alter Obs' un' Möpse schrumpeln.
Denn'et verfallen Zeit un' Welt,
Dat sieh'ße an Kaal Lagerfeld!
- "Alz'e dat Gedich' gemacht hass', Kalle, war'se abba so wat von knülle, wa?
- "Komm los, ich schiep Dich getz entlich zu'n Saufen, Heinz!"