25.07.2015 Oberhausener Lore Leih am Ruhrufer bläst ... auf dem Kamm und ER fällt.

Ruhr-Ufer bei Alstaden mit Kanu-Fahrer
(Text von Beate Wagner ... vielleicht nicht so ganz ernst gemeint, aber dennoch ein Märchen mit einem wahren Kern - wie alle Märchen?)

Auf der Schifferstrasse steht das kleine Häuschen von Omma Lisbeth und Oppa Rudi. Die Beiden hatten 6 Kinder. Alles Jungs und 14 Enkel. Widder alles Jungs. Als dann Enkel Nr.15 unterwegs war, wünschten sich beide - Omma un' Oppa - sehnlichst ein Mädchen in der Familie. Und genau so sollte es dann auch kommen. Anlässlich dieses - ja fast an ein Wunder grenzendes  -Familien-Nachwuchs-Ereignisses kramte Oppa Rudi seinen größten und best gehüteten Schatz aus den wirren, dunklen, tiefen und geheimsten Winkeln des modrigen Kellers. Nämlich: Den BECKENKNOCHEN der letzten Kuh von Bauer Flocken. Ein nahezu magisches Relikt Alstadener Mysterien.

Oppa Rudi arbeitete zu der Zeit noch bei "Stink-Koch", einem Tierverwerter in Alstaden. Und den besagten, animalischen Beckenknochen hatte er damals für eine ganz besondere, vielleicht noch weit in der Zukunft liegende Gelegenheit, die sich - wie er der festen Meinung war - sicherlich noch ergeben werde, an die Seite geschafft. 

Damit schien er Recht getan zu haben. Denn diese Gelegenheit bot sich nun nach der Ankunft des ersten und einzigen Mädchen in der Familie. Gleich machte er sich an die Arbeit und schnitzte kunstvoll und geschickt einen wunderschönen Kamm aus dem Beckenknochen der Kuh für dieses lang ersehnte Geschenk des Himmels: Lore wurde sie getauft. Ein hübsches Kind mit schönen, blonden, langen, wallenden, leicht gelockten Haaren

Lore wuchs heran, reifte sozusagen unter den wohlwollenden Augen der vielen Männer in der Familie zu einer jungen, hübschen Frau heran und entwickelte sich zugleich aber auch zu einem "flotten Feger", wie Opa Rudi meinte. 

Jeden Tag kämmte Lore sich mit dem schönen, wunderlichen Kamm die blonden Haare. Hielt diesen danach wie ein Mikrophon vor ihr vollen, blutroten Lippen und begann inbrünstig: "Atemlos durch die Nacht…." auf dem Kamm mehr zu blasen als zu singen. Dies Verhalten entwickelte sich mit der Zeit zu ihrer liebsten Beschäftigung

Omma Lisbeth hatte natürlich nichts gegen dieses ausgiebige Kämmen der Haare einzuwenden; denn Lores wundervolle Haare mussten nunmal gepflegt werden, und dazu hatte sie ja diesen wirklich tollen & wunderlichen Kamm extra von Oppa geschnitzt. Doch das Singen nervte die Omma mit der Zeit ganz fürchterlich! Zumal Lore nur Helene Fischer sang. Omma Lisbeth "stand abber mehr auf'e Schlagers dat Catarina Valente." 

Eines Tages nach dem zehnten Mal "Atemlos" wurde es Omma dann doch zuviel. "Nimm der Kamm Kind und mach Dich entlich raus!" sagte Oma Lisbeth zu Lore. 
"Wohin soll ich denn gehen?" fragte Lore unbekümmert. 
"Setzt Dich meinzweg'n am Ruhrdeich! Da kannze blasen und singen, bis der Arzt kommp odder Dich die Zacken aus der Kamm brechen. Un' wennze da jemand stör's, sin'et nur die Fischkes inne Ruhr." 

Lore setzte sich also an den Ruhrdeich, kämmte sich ihre langen, blonden Haare und beobachtete die Jungs vom AKC (Alstadener Kanu Club), die auf der Ruhr mit ihren Kanus trainierten. Da! .... ganz plötzlich an einem hellen Sommertag sah sie IHN: Gross. Dunkelhaarig. Braun gebrannt. Ein Bild von einem Mann! … Und Lore, der Flotte Feger, mit dem schönen Kamm begann gleich atemberaubend lieblich zu blasen und zu singen: "… Atemlos durch die Nacht, .....ich will immer wieder dieses Fieber spürn, ....und morgen früh küss ich dich wach, ….."

ER sah augenblicklich hoch, stellte sich in seinem Kanu auf und seine Haare flatterten wirr im ruhrigen Wind, als er rief: "Ey, LORE LEI'sse mich ma' ebendt Dein Kamm?" Doch kaum hatte er die Worte ausgesprochen, kam er ins Schwanken. Sein Kanu kenterte und der junge, hübsche Mann versank (vielleicht auf nimmer Wiedersehen) in den nachtschwarzen Tiefen der Ruhr (etwa ein Meter fuffzich)

Das war aber nur der Erste, den es erwischte. Und da Lore zu Hause partout nicht mehr singen durfte, und sie darum täglich mit ihrem "musikalischen" Kamm am Ruhrdeich saß, ereilte noch viele Kanuten das gleiche Schicksal und versanken in der Ruhr. 

Seit dieser Zeit ist die Ruhr am Alstadener Ufer bei Kanuten gefürchtet und berüchtigt. Darum warnen sie sich gegenseitig bevor sie aufs Wasser gehen. "Ohren zu, wenn Du Helene Fischer hörst, stell Dich nicht im Kanu auf … und ruf um Gotteswillen nich' übbere ganze Ruhr bis annet Ufer: 

"EY, LORE LEIH MICH MA' DEIN KAMM!"