22.06.2015 Blasen bis Dir Hören und Säen vergeht, mein Ähren-Kind … unne Wolkens entlich inne Ferne sint …




"Kehr, dat einzige wat de bei den Wetter noch mach'n kannz, iss blasen." 

Aber so war das damals eigentlich nicht. Es war jedenfalls nicht wegen des Wetters. Es war wegen der Musik. Der dicke Helmut wollte auf'alle'Fälle irgendwat mit Musik machen. 

Akki meinte: "Für dich iss an besten, Du spielz auf'e Pauke oder sowat. Fett bisse ja schon; dann hasse noch so'n dicket Dink vor Deine Wampe, un' kannz vonne Seite tüchtich ein'n drauf haun. Da geht'ich auch wat von Dein Schwabbel anne Arme wech!"

Nä, Pauke wollt der dicke Helmut nich'.
- "Dann villeich Posaune?!" , sagte Kaka, "Du furz doch sobieso der ganzen Tach durch'e Gegend." 
- "Da kannze abber ein' drauf lass'n!", sachte Akki.
- "Kehr", sachte Kaka zu Akki, "der Dicke hat letztens so ein zieh'n lassen, dat mich die Gläsers inne Brille verschlage'n sin'!" - 
- "Abber Kaka, Du trägs doch gar kein Brill!!", gab Akki mit seine Flaschenböden vor seine Augen zurück. 
- "Kumma Akki, genau daran kannze riech'n, wie schlimm der fette Kallerienbunker ma' widder gefurz hat."

Nä, Posaune wollte der dicke Helmut auch nich'! 
"Wie wäret denn mit ein Triangel?", schlug Günni vor. "Weiß'e Helmut, dat Ding iss' leich', hat nur ein Ton, macht'n schön' EngelsKlang, un' Du hass' lange Pause in Orchester für'e Bomboms … Un' Notens lesen musse nich' können!"

Nä, Triangel wollt der dicke Helmut auch nich'! Er wollte Trompete. Weil damit die Isralitten ja die Mauers von den Herr Jericho kaputt gekrich' ha'm. Un dat wollt' er auch. Er wollt inne Goethestraße an die alte Ruine so lang inne Trompete blasen, biss die umfiel. Die Mauer, nich' die Trompete! Von alleine. Nur durch'e Töne un' sein Blasen. Un dann bekäm er dat Geld für der Abriss. Un' damit würd'er inne Bude paa Tüten von die Bomboms kauf'n.

Helmut bekam vom Kiwelitz, unserem Musiklehrer und Orchesterleiter also eine Trompete. Helmut übte fleißig und nach ein paar Tagen konnte er schon ein paar Töne dem Dingen entlocken. Akki wollte natürlich auch mal. Weil Akki immer das können wollte, was andere konnten. Aber Akki konnte sich noch so'ne Mühe geben und in die Trompete mit vollen Backen blasen. Aber nix. Kein Ton. Nur so'n langet Blasgeräusch wie man dat aus'm Blasebalg kennt. Er konnt's nicht, weil er die Technik nicht beherrschte. Nämlich das Anblasen des Tons durch das Mundstück. Das wurmte Akki. Mächtich!! Schrecklich!!

Nach'n paar Woche'n war Helmut schon richtig gut und er spielte beständig "Pussi denn, Pussi zum Ständerle hinaus!" (Akki's Lesart des Volkslieds) Wenn man sich der Wohnung näherte, in der Helmut mit seinen Eltern und seinen drei hochscharfen Schwestern wohnte, hörte man immer wieder dieses Lied und sein Trompeten-Üben.
Aber Akki, der es nun einmal nicht verkraften konnte, dass Helmut etwas konnte, was er nicht konnte, sann auf Rache. In der kurzen Pause vor'm Musikunterricht fragte Akki den dicken Helmut, ob er noch einmal versuchen dürfe. 
-"Villeich kann ich dat ja getz?!" 
- "Ja, hier versuch", sagte Helmut … 
-Nö, sagte Akki, doch nich hier, ich nehm die mit auf'n Lokus un' versuch da." 
Nach 'ner Weile kam Akki zurück und gab Helmut die Trompete: "Kehr Dicken, ich kannet einfach nich'. 

Mit stolz geschwellter Brust ging Helmut in die Musikstunde - Orchesterübung. Er sollte Kiwelitz ein paar Töne, die er auf dem Flügel anschlug, nachspielen, um zu zeigen, dass er bereits Fortschritte gemacht hatte. 
Die Bläser standen dann immer seitlich in etwa einem Meter Abstand mit dem Gesicht (in diesem Fall mit der Trompete) zum Musiklehrer. Kiwelitz spielte einen Trompeten-Naturton (das G 1). Helmut setzte die Trompete an seine geschürzten Lippen und blies heftig in das Mundstück der Trompete. 
Erst kam nix. Dann kam Plop. Und dann hatte Kiwelitz braune Flecken im Gesicht. Kiwelitz sprang auf! Mit weit aufgerissenen Augen in seinem hoch-musischen Gesicht stand er angewidert vor seinem Klavierhocker! Und aus den hinteren Reihen des Klassenzimmers tönte Akkis Stimme: 
"Vadammpte Scheiße, abber auch!"