Für Dienstag, den 07.05.1907, sollten sie sich alle besonders schön machen. Der Herr Ober-Lehrer Kramski hatte ihnen Montags nach Schulschluss noch mit auf den Weg gegeben: „Kleidet Euch gut und sauber, Kinder. Wascht Euch am Morgen gründlich, kämmt Euch die Haare. Sagt Euren Eltern, dass alles in einer größten Akkuratesse sein muss. Schreibt das in Euer Aufgabenbuch. Ich buchstabiere A-K-K-U-R-A-T-T-E-S-S-E …. Ihr wisst, Morgen zur dritten Stunde kommt der Photograph, um die gesamte Klasse für das SchulgruppenBlid abzulichten.“
Gewisper in der letzten Bank:
- "Wat 'n richtigen Graf kommt inne Schule, Heinz?"
- "Kehr nä, nicht so ein auf ein Ross, Kalle."
- "Wat denn sonz für ein?"
- "So ein mit so ein Apperat mit so ein schwatten Tuch dranne."
- "Aber auf so’n Tuch kann der doch ga’ nicht reit’n!?!"
- "Kehr, Kalle ich sach doch. Datt iss kein Graf für auf ein Ferd!"
- "Abber der Kramski hat gesacht 'n Graf kommt!"
- "Ja, einen Graf mit Fotte vorne dran!"
- "Ach mit Fotte vorne dran. - …. - ?! - ?? - Iss dat schlimm, wemm’a Fotte vorne dran hat?"
- "Nä Kalle, ich sach doch, der kommp mit ein groß’n Kasten tut sich dat Tuch über der Kopp, un’ dann glotz der duarch der Kasten duarch auf uns drauf ... dann muss'e ganz still halt’n, dann kommp ein Ötsch aus der Kasten un’ zack feddich!"
- "Ach so … nur mit ein Ötsch … nich’ mit ein Ferd?!
- "Nä, vadammich, nich' mit ein Feard!"
- "Von die Ötsche ham'ma an Haus viele, dat iss langweilich! Abber der Kramski sacht, der Graf mit Fotte vorne dran tut uns ein applicht’n. Tut dat weh, Heinz?!"
- "Nä, vadammich, nich' mit ein Feard!"
- "Von die Ötsche ham'ma an Haus viele, dat iss langweilich! Abber der Kramski sacht, der Graf mit Fotte vorne dran tut uns ein applicht’n. Tut dat weh, Heinz?!"
- "Nä, Kalle, in der Kasten iss eine kleine Kearze mit ein Licht an der Docht, un’ durch der Docht mit den Licht dran, un' der Fottegraf mit sein schwatt’n Tuch an der Kasten dran, un' der Ötsch auf der Katsten geht dat allet auf ein Fotto in der Kasten! Un' dann kannze dat kuck’n wie auf ein gemalt'n Bild nur ganz richtich, wie wenn'ze im Spiegel kuck'n tu's.
- "Un dann ...?
- "Pass'auf der Kramski kuck!!"
….
„Karl und Heinz sofort Ruhe da hinten, sonst gibt’s den Stock!“
Am nächsten Tag hatten Kramski und der spitzbärtige Fotograf namens Eugenius Fürst 'ne Menge zu tun, den Kindern die rechte Bild-Choreographie beizubringen. Es sollten immer kleine Gruppen gebildet werden. Dreier-, Vierer-, Zweier-Gruppen. Kramski meinte, das Bild müsse etwas Klassizistisches ausstrahlen. Fürst stimmte zu: "Unbedingt, Herr Oberlehrer - unbedingt .... unbedingt klassizistisch!“
Die beiden schon älteren Zwillings-Mädchen (Ulla und Mathilda) in ihren Spitzenkragen sollten in vorderer Reihe einen Blickfang bilden. Dann die Burschen als quasi liegende Statuen symmetrisch davor. Fuß an Fuß - Kopf an Kopf.
Und nachdem dann Kramski in der Mitte des Bildes endlich seinen Platz gefunden hatte, ging ihm durch den Kopf, dass Mathildas Körper schon leicht die Neigung hatte in die Frauschaft zu gehen. Doch er ermahnte sich selbst auf’s Heftigste wegen dieses unzüchtigen Gedankens. Darum sein sehr ernster und konzentrierter Blick.
Sechs Jahre später trug Mathilda den Namen Kramski. Und Kramski wurde der Leiter der Alstader Schule!!
Sechs Jahre später trug Mathilda den Namen Kramski. Und Kramski wurde der Leiter der Alstader Schule!!