Wo es meist begann ... |
Beate führt uns in diesem Text zu Kinderzeiten durch ganz Alstaden. Na ja, GANZ Alstaden wohl nicht. Aber durch das Alstaden, woraus es zu ihrer Zeit als Kind an der Hand der Mutter im Wesentlichen bestand ... aber lest selbst:
Einkaufen mit meiner Mutter fand ich als Kind immer furchtbar langweilig. Denn meist dauerte das den halben Vormittag. Obgleich uns der Einkaufsweg nicht weiter als von der Sofienstr. bis Flockenfeld führte.
Wir begannen unsere Tour bei Elektro Büschken wegen Batterien und Glühbirnen. Das dauerte etwa eine halbe Stunde, weil Frau Büschken erstmal ausführlich über das Wetter, den Gesundheitszustand meines Opas und die neue Frisur von der Nachbarin reden musste.
Die nächste Anlaufstelle war Torwesten im Flockenfeld. Wir brauchten neue Strümpfe. Weiße Kniestrümpfe für mich und so schöne seidige für meine Mutter. Bei Torwesten mussten wir meistens länger warten, da alle Frauen im Laden - egal ob vor oder hinter der Ladentheke - mit enorm wichtigen Frauen-Gesprächen beschäftigt waren. Genauso meine Mutter und dann sagte sie auch noch zu mir: “DU warte mal schön da hinten, bis ich fertig bin!” Wahrscheinlich ließ sich die Frau neben uns gerade Unterwäsche zeigen … und was drunter getragen wurde, ging mich in den Augen meiner Mutter natürlich nichts an.
Irgendwann waren wir dann doch fertig und wir zogen weiter zur Metzgerei Dresen. DA war ich gerne. Es roch dort so gut nach Wurst und Braten und zukünftigen Sonntags-Rindfleisch-Brühen. Und Frau Dresen hatte auch immer ein Stückchen Fleischwurst für mich und natürlich auch hier - für meine Mutter - die neuesten (Klatsch)-Geschichten direkt aus Alstaden. "HABEN Sie schon gehört, die Frau Meier ist im Krankenhaus, Oberschenkelhalsbruch, schlimm sag ich Ihnen." usw. ... usw. "So … hier … ein Pfund Gehacktes und ein Stück dicke Rippe. Recht so? Na Kleine, da kann die Mama wieder was Leckeres kochen, ne! Macht Dreimarkachtzig! - Danke, un' 'n schönen Tach noch und Grüße an die Omma.…"
Wieder eine halbe Stunde vorbei, aber fertig waren wir noch lange nicht. Bei Mogk holten wir neben weiteren Neuigkeiten ein Töpfchen Emaillefarbe für die Macke in der Badewanne und dann ging es in meinen Lieblingsladen: Zu Kinzius auf der Alstadenerstrasse. Da gab es Kurzwaren. Vom Unterhosengummi bis zum Reißverschluss war alles da.
In dem Laden brauchten wir immer besonders lange, denn da gab es nicht nur jede Menge Worte, sondern man brauchte auch richtig Zeit zum Aussuchen. Stopfgarn zum Beispiel in allen möglichen Farben! Und wenn meine Mutter dann die Tüte mit den kaputten Strümpfen aus der Tasche zog, um die richtigen Farben zu finden, kam direkt die Frage: "Ach, kommt Oma widder zu Besuch?"
Das Stopfen war nämlich Omas Aufgabe. Sie brauchte stets Beschäftigung. Meine Mutter prüfte immer ganz genau, welcher Farbton denn nun am ähnlichsten war. “Mama, kauf doch dat Orangene, die Farbe is' schön!” - “Nein Beate, deine Strümpfe sind doch grün! Geht doch ga' nich'!" - “Aber Orange ist viel, viel schöner, Mama!” - “Passt aber nu'ma' nicht, Kind!” Basta, Mama kaufte grünes Garn und ich war schwer enttäuscht.
Die Schachteln mit den vielen verschiedenen Knöpfen fand ich besonders schön. Es gab sogar goldene und welche aus Perlmutt, die so schön schimmerten. Aber nein, auch hier bestand Mama auf Ton in Ton. An Papas weißem Hemd fehlten zwei weiße Knöpfe und keine goldenen mit Anker drauf. Und genau darum gab es auch keine Knöpfe mit Anker drauf!
Jetzt noch schnell zum Bäcker: Und ein Steinofenbrot und die Geschichte von der Nachbarin kranker Katze. “Wegen 'nem Kappeskopp gehen wir jetzt aber nicht mehr auf den Markt”, bestimmte Mama mit Blick auf die Uhr. Und so besuchten wir notgedrungen noch den einzigen Supermarkt im Viertel. SCHÄTZLEIN auf der Alstadener Straße. Auch hier mussten wir länger warten, denn Selbstbedienung an der Gemüsetheke gab es damals noch nicht und Herr Stein und seine Mitarbeiterinnen mussten natürlich auch ihre Geschichten los werden.
“Die Zigaretten für Opa holst Du aber jetzt alleine, ich muss nach Hause und endlich anfangen zu kochen”, sagte Mama dann irgendwann und schickte mich noch in den Tante Emma Laden von Frau Netzer. - “Zwei Schachteln Güldenring für Opa”, sagte ich an der Theke und das ging zum ersten Mal an diesem Tag wunderbar schnell. Denn ICH brauchte ja nur EIN Bonbon für den Weg. Die neuesten Geschichten aus der Nachbarschaft interessierten mich da weniger.
… Und heute? Wie ist das heute mit dem Einkaufen. Selbstverständlich im Kaufland. Alles da!: Lebensmittel, Bekleidung, Elektro, Blumen. Einfach AAALLLEESSS.
Aber was die nicht haben ... und auch nie mehr haben werden, sind die kleinen Geschichten für Ehefrauen und Mamas. Für so etwas hat man heute weder Sinn noch Zeit. Und schon gar nicht die beständig elektronisch überwachten Mitarbeiter/innen der Supermärkte.